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Nur Zahnbürste ist zu wenig: Welches Hilfsmittel hilft wem?
„Natürlich kümmere ich mich um meine Mundhygiene. Schließlich putze ich mir zweimal täglich die Zähne.“ Wer so denkt, tut leider nicht genug. Denn die klassische Zahnbürste erreicht gerade mal zwei Drittel der Zahnoberflächen. Wir erklären, zu welchen weiteren Hilfsmitteln Sie wann und wie oft greifen sollten. Zahnseide oder Interdentalbürsten: Was ist für wen besser? Und was bringen Zahnhölzer, Mundduschen und Zungenschaber?
Hilfsmittel über die Zahnbürste hinaus
In diesem Text geht es nicht um die Gegenüberstellung von „Handzahnbürste versus elektrische Zahnbürste“, sondern um die Hilfsmittel, die zusätzlich zur Zahnbürste zum Einsatz kommen sollten, um Karies sowie Entzündungen von Zahnfleisch und Zahnbett zu verhindern.
Am häufigsten verwendet werden Zahnseide und Interdentalbürsten. Aber welche von beiden Optionen ist die bessere? Die Antwort in der Kurzfassung: Es kommt darauf an. Und in manchen Fällen bietet sich die Kombination aus beidem an.
Dr. Vinay Pitchika arbeitet am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München und erforscht seit langem die Wirksamkeit der unterschiedlichen zahnmedizinischen Hilfsmittel. Mit Ihm haben wir über die Vor- und Nachteile gesprochen. Aber erst einmal stellen wir die beiden wichtigsten Optionen vor.
Interdentalbürsten
Interdentalbürsten bestehen aus einem gedrehten Draht an einer Halterung, der mit kurzen Borsten besetzt ist. Man verwendet sie, indem man sie ohne Zahnpasta vorsichtig in den Zahnzwischenraum einschiebt und mehrmals hin und her bewegt. Zwei- bis dreimal hat sich allgemein bewährt, so Vinay Pitchika. Aber am Ende bleibt das jeder und jedem selbst überlassen.
Nach der Reinigung jeden einzelnen Interdentalraums sollte man das Bürstchen unter fließendes Wasser halten, um Speisereste und Bakterien nicht im Mundraum zu verteilen. Die kleinen Bürsten sind deutlich schneller abgenutzt als Zahnbürsten, daher sollte man sie spätestens nach einer Woche ersetzen.
Interdentalbürsten gibt es in unterschiedlichen Größen. Um die passende Größe für sich zu finden, empfiehlt der Zahnmediziner den Kauf eines Probierpakets mit unterschiedlichen Größen. Zum Ausprobieren mit der kleinsten Größe beginnen und sich bei Bedarf langsam steigern. Die Bürste mit geringem Druck in die Lücke zwischen Zahnfleisch und Zahnzwischenraum schieben. Dabei sollte nur ein leichter Widerstand zu überwinden sein. Sollte der gewünschte Reinigungseffekt nicht einsetzen, nächstgrößere Bürste probieren. Im Zweifel berät auch Zahnärztin oder Zahnarzt.
Hilfsmittel | Interdentalbürsten |
Wann zu verwenden | Jeden Abend vor dem Zähneputzen |
Wie zu verwenden | 2 bis 3 mal, zwischendurch unters Wasser halten |
Vorteile | Man kann wenig falsch machen |
Nachteile | Bei engen Zahnzwischenräumen schwierig anzuwenden |
Varianten | Verschiedene Größen, verschiedene Materialien |
Anwenden sollte man die Interdentalbürsten jeden Tag. Pitchika empfiehlt, dies am Abend zu tun. Schließlich habe man dann im Normalfall mehr Zeit für umfassende Mundhygiene als morgens. Und die Bürstchen vor dem Zähneputzen nutzen: Ist der Belag schon aus dem Interdentalraum entfernt, kommen die Wirkstoffe der Zahnpasta besser zur Wirkung.
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Möglichst jeden Abend und vor dem Putzen: das gilt auch für Zahnseide. Ebenso ein Phänomen, das nach dem erstmaligen Einsatz des Hilfsmittels auftreten kann. In den ersten ein bis zwei Wochen ist ein leichtes Bluten recht normal. Weil der Interdentalraum bislang vernachlässigt wurde, „hat sich dort häufig eine chronische Entzündung gebildet, die sich so zeigt“, sagt der Forscher.
Er rät dazu, die Hilfsmittel trotz des leichten Blutens weiter täglich einzusetzen: „Im Normalfall heilt das dann auf natürlichem Wege ab.“ Auch im Anschluss an die Eingewöhnungsphase kann es gelegentlich leicht bluten. Ärztliche Hilfe sollte man sich dann holen, wenn das Bluten länger als zwei Wochen anhält – oder an Intensität zunimmt.
Zahnseide
Ursprünglich wurde ungezwirntes Seidengarn zur Zahnreinigung genutzt, daher der Name. Längst sind Kunststoffe viel gebräuchlicher. Wie Interdentalbürsten sollte man Zahnseide jeden Abend vor dem Zähneputzen verwenden. Mehr zur richtigen Technik im Artikel „Zahnseide richtig anwenden – gewusst wie” . Hinweise für Menschen mit Zahnfleischtaschen hier: „Die Zahnfleischtaschenreinigung”.
Zahnseide eignet sich gut für enge Zahnzwischenräume, in die etwa Interdentalbürsten nicht hineinpassen. Das kann eine Frage des Alters sein: Der Raum zwischen den Zähnen wächst mit den Jahren. Irgendwann bietet sich der Wechsel zu Interdentalbürsten an. In vielen Fällen kann man die Grenze bei einem Lebensalter von 40 bis 50 Jahren ziehen, so Pitchika, „wenn die Menschen erste Parodontitis-Erfahrungen gemacht haben”.
Hilfsmittel | Zahnseide |
Wann zu verwenden | Jeden Abend vor dem Zähneputzen |
Wie zu verwenden | „Zahnseide richtig anwenden - gewusst wie" |
Vorteile | Gut geeignet für enge Zahnzwischenräume |
Nachteile | Größeres Risiko für Anwendungsfehler |
Varianten | dünn, dick, gewachst, ungewachst, mit/ohne Minze, mit/ohne Fluorid |
Es gibt dünnere und dickere Zahnseide, gewachst und ungewachst, mit Minze oder Fluorid. Grundsätzlich sei die Wahl Geschmackssache, sagt Dr. Pitchika: „Ich selbst nehme lieber die gewachste, weil sie einfacher im Umgang ist.” Fluorid in der Zahnseide kann – ergänzend zu fluoridhaltiger Zahnpasta – nicht schaden.
Zahnseidehalter sind kleine Plastikgabeln, an deren Ende ein Stück Zahnseide aufgespannt ist. Von ihnen rät der Zahnmediziner ausdrücklich ab: Sie seien zwar im Einsatz gerade für die hinteren Backenzähne ein wenig bequemer, brächten aber keinen gesundheitlichen Vorteil – sondern nur verzichtbaren Plastikmüll.
Zahnseide ist vorsichtig und gefühlvoll einzusetzen: „Es gibt viele Möglichkeiten, mit ihr Schaden anzurichten. Zu viel Druck kann man Zahnfleisch sogar verletzen.” Wem hier das Feingefühl fehlt, dem empfiehlt der Mediziner Interdentalbürsten: „Mit denen kann man insgesamt weniger falsch machen.”
Bürstchen, Seide – oder beides?
Zahnseide für die Schneidezähne, Interdentalbürsten für die Backenzähne? Eine Kombination aus beiden Hilfsmitteln ist zwar aufwendig, kann aber durchaus sinnvoll sein, sagt Dr. Vinay Pitchika. Und macht das von der Form der Zähne abhängig, die die einzelnen Zahnzwischenräume bilden.
Grundsätzlich sind Zähne entweder nach außen gewölbt (konvex) oder nach innen (konkav). Wenn die benachbarten Zähne nach außen gewölbt sind, ist Zahnseide die bessere Wahl für die Reinigung. Bei den vorderen Zähnen kommt das häufiger vor als bei den hinteren, kann es also gut sein, dass bei den Schneidezähnen Zahnseide ausreicht.
Deutlich öfter allerdings ist mindestens einer der beiden Zähne nach innen gewölbt. Dann bieten sich Interdentalbürsten an, sie erreichen auch diese schwer zugänglichen Bereiche. Ein weiterer Pluspunkt für die kleinen Bürsten.
Allerdings gibt es keine klare Gesetzmäßigkeit, wie konkave und konvexe Zähne beim Menschen insgesamt verteilt sind. Genaueres erfahren Patienten von ihren Zahnärztinnen und -ärzten. Die wissen auch, ob eine Art von Hilfsmitteln reicht oder eben nicht.
Zahnhölzer
Für besonders Sensible, Teil 1: Mit Zahnhölzern sind nicht die klassischen Zahnstocher gemeint, hölzern und mit rundem Querschnitt. Sondern „Hölzer“, die einen dreieckigen Querschnitt haben und die inzwischen meist aus Kunststoff hergestellt werden. Wie Interdentalbürsten gibt es sie in unterschiedlichen Größen.
Hilfsmittel | Zahnhölzer |
Wann zu verwenden | Jeden Abend vor dem Zähneputzen |
Wie zu verwenden | 1 bis 3 mal, zwischendurch unters Wasser halten |
Vorteile | Gut geeignet bei empfindlichen Zahnzwischenräumen und für Spangenträger |
Nachteile | Weniger wirksam |
Varianten | Unterschiedliche Größen und Materialien |
Sie gelten als nicht so wirksam wie Interdentalbürsten und Zahnseide. Allerdings sind sie leichter anzuwenden – auch für Spangenträger, denn gerade Interdentalbürsten können in den Brackets hängenbleiben. Mit Zahnhölzern lässt sich die Reinigung sanfter durchführen, daher sind sie geeignet für Menschen mit besonders empfindlichen Zahnzwischenräumen. Ähnlich wie die Munddusche.
Munddusche
Für besonders Sensible, Teil 2: Studien weisen Mundduschen – und auch Zahnhölzern – nach, dass sie weniger wirksam sind als Zahnseide und Interdentalbürsten, so Zahnforscher Pitchika. Und Duschen sind zumeist teuer. „Sinnvoll sind sie eigentlich nur bei extrem empfindlichen Zahnzwischenräumen.”
Hilfsmittel | Munddusche |
Wann zu verwenden | Zweimal täglich nach dem Zähneputzen |
Wie zu verwenden | Beim Arzt einzuüben |
Vorteile | Gut geeignet bei empfindlichen Zahnzwischenräumen, bei Zahnimplantaten und für Spangenträger |
Nachteile | Weniger wirksam, teuer, potenziell schädlich |
Varianten | Verschiedene Modelle von verschiedenen Herstellern |
Die richtige Handhabung sollte unter medizinischer Aufsicht eingeübt werden. Denn ein zu hoher Wasserdruck oder eine falsche Ausrichtung können Schäden am Zahnfleisch hervorrufen.
Zungenschaber
Die Reinigung der Zunge ist in europäischen Breiten noch nicht allzu weit verbreitet. In erster Linie richtet sie sich weniger gegen Karies und Parodontitis als gegen Mundgeruch. Allerdings sind einige der Bakterien, die man sich von der Zunge schrubbt, mit Parodontitis assoziiert, so Vinay Pitchika; deren Entfernung kann der Zahngesundheit also durchaus zuträglich sein.
Der Schaber wird hinten auf den Zungenrücken gesetzt und nach vorne gezogen; bei Bedarf auch mehrfach. Das hintere Drittel der Zunge ist am stärksten von Belägen betroffen. Zahnpasta kommt dabei nicht zum Einsatz, nur ein wenig Wasser, um die Beläge fortzuspülen.
Hilfsmittel | Zungenschaber |
Wann zu verwenden | Zweimal täglich nach dem Zähneputzen |
Wie zu verwenden | (Mehrfach) schrubben |
Vorteile | Bekämpft vor allem Mundgeruch |
Nachteile | Gesundheitliche Wirkung begrenzt |
Varianten | Kunststoffschaber, integrierte Zungenschaber, Zahnbürsten |
Der Handel hält für die Zungenreinigung spezielle Kunststoffschaber bereit. Außerdem gibt es Zahnbürsten mit integriertem Zungenschaber auf der Rückseite des Bürstenkopfes. Wem das zu aufwendig wird, der kann auch die einfache Zahnbürste dazu nutzen, sich die Zunge sauber zu schrubben.
Fazit
Vieles spricht für den Einsatz von Interdentalbürsten. Auch Untersuchungen der unabhängigen Cochrane Collaboration sprechen ihnen als Ergänzung zur Zahnbürste eine hohe Wirksamkeit zu. Zahnseide wiederum bietet sich vor allem bei besonders engen Zahnzwischenräumen an, unter Umständen in Kombination mit den kleinen Bürsten. Zu Zahnhölzern und Munddusche sollten nur besonders empfindliche Menschen greifen. Die Universallösung für alle gibt es nicht. Und die Beratung in der Zahnarztpraxis schützt vor möglichen Fehlern in der Anwendung.
Quellen
- Worthington HV, MacDonald L, Poklepovic Pericic T, Sambunjak D, Johnson TM, Imai P, Clarkson JE: Home use of interdental cleaning devices, in addition to toothbrushing, for preventing and controlling periodontal diseases and dental caries. Cochrane Database of Systematic Reviews 2019, Issue 4
- Stefan Zimmer, Mozhgan Bizhang: Anwendung interdentaler Hilfsmittel – immer noch sinnvoll? Prophylaxe Journal 2/2020, S. 10-12
- Zahnzwischenraum: https://www.prodente.de/zaehne/prophylaxe/zahnzwischenraum.html
Dr. Vinay Pitchika
Experte
Dr. Vinay Pitchika arbeitet als Associate Scientist am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU Klinikum).
Markus Düppengießer
Autor
Markus Düppengießer, Journalist und Lektor, lebt in Köln. Früher schrieb er vor allem für Tageszeitungen, heute für verschiedene Fachmedien (on- und offline) aus den Bereichen Gesundheit und Personalwesen, für ein Straßenmagazin und eine Kinderzeitung. Zudem ist er Dozent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.