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Zahnunfall: Wie Sie mit H-Milch den Zahn retten

Es geht so schnell: Eine unbedachte Bewegung, ein Zusammenstoß und ein Zahn ist ganz draußen oder ein Stück von ihm abgebrochen. Zwei Drittel der Deutschen hatten bereits einen Zahnunfall.Oft ist die Unsicherheit groß: Was tun – und ist das vollständige Gebiss nun auf immer dahin? Professor Krastl, Leiter des Zahnunfallzentrums Würzburg, macht Mut und gibt Tipps, wie die Erste Hilfe nach dem Unfall aussehen soll. Kalte H-Milch spielt dabei eine zentrale Rolle.

Wie häufig passieren Zahnunfälle?

Zwei Drittel der Deutschen hatten bereits einen Zahnunfall. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschers Dynata. Danach wissen fast genauso viele Menschen nicht, wie sie reagieren sollen, wenn ihnen selbst oder jemand anderem ein Zahn abbricht oder vollständig ausgeschlagen wird.

Wie kommt es zu Zahnunfällen?

Die meisten Unfälle passieren im Haushalt, das trifft auch hier zu. Knapp die Hälfte der Befragten hatte in den eigenen vier Wänden schon einen Unfall, bei dem ihnen ein Zahn entweder abgebrochen, gelockert, verschoben oder ausgeschlagen wurde. Der Sport kommt erst auf dem zweiten Rang, das ist einem Drittel der Befragten passiert. Und es sind gerade die Sportarten mit hohem körperlichen Einsatz – also Hockey, Handball und Basketball –, bei denen es häufiger mal knallt.

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Wie sollte man nach einem Zahnunfall reagieren?

Wichtig ist es, dass man besonnen und schnell handelt: Der Zahn oder das Stück von ihm sollte sofort gesucht werden. Den ausgeschlagenen Zahn nur am oberen Ende, an der Zahnkrone, anfassen, nicht an der Wurzel. Auf keinen Fall säubern oder desinfizieren. Sollte die Wunde stark bluten, möglichst eine Mullbinde oder ein sauberes, fusselfreies Textilstück wie ein Stofftaschentuch darauf pressen, die Wunde äußerlich kühlen.

„Das Schlimmste, was man dem ausgeschlagenen Zahn antun kann, ist ein Taschentuch.”
Professor Gabriel Krastl

Wohin mit dem ausgeschlagenen Zahn?

Nach dem Zahnunfall sollte man möglichst schnell einen Zahnarzt aufsuchen. Der ausge­schlagene Zahn darf derweil nicht austrocknen. „Das Schlimmste, was man ihm antun kann, ist ein Taschentuch“, sagt Professor Gabriel Krastl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET) und Leiter des Zahnunfallzentrums Würzburg. Wickelt man den Zahn in ein Taschentuch ein, entzieht man ihm das letzte bisschen Restfeuchtigkeit.

Das Beste für den Zahn ist es, wenn er bis zur Behandlung in einer sogenannten Zahnret­tungsbox gelagert wird. In diesem Gefäß bleibt der Zahn über viele Stunden, bis zu zwei Tage lang, am Leben. „Die Box enthält eine spezielle Nährlösung, wie sie auch beim Transport von Organen für eine Transplantation eingesetzt wird.“ Zahnrettungsboxen sind zwei Jahre lang haltbar, es gibt sie für etwa 20 Euro in der Apotheke.

Und das ist das Problem: Man findet die Boxen häufig nicht da, wo sie gebraucht werden, weil dort die Zahnunfälle passieren: in Privatwohnungen, in Schulen und an Sportstätten. „Von unserer Fachgesellschaft aus, der DGET, versuchen wir die Situation zu verbessern“, sagt Krastl. Dazu hat die DGET das Portal www.rette-deinen-zahn.de eingerichtet, hier werden detaillierte Empfehlungen gegeben, was bei welcher Art der Zahnverletzung zu tun ist.

Alternativen zur Zahnrettungsbox

Steht keine der Boxen zur Verfügung, ist kalte H-Milch die beste Lösung bei einem ausge­schlagenen Zahn. In Leitungswasser sollte man ihn nicht lagern, hier sterben seine Zellen schnell ab. „Auch Speichel ist nicht so gut, weil der viele Bakterien enthält und physiologisch keine guten Bedingungen bietet.“ Ist Frischhaltefolie greifbar, kann man den Zahn darin einwickeln, um zumindest die Restfeuchtigkeit zu erhalten.

Am besten aber lagert man den Zahn in H-Milch, das ist in diesem Fall noch besser als eine Kochsalzlösung. „Denn die Milch enthält zusätzlich noch Nährstoffe für den Zahn. Kalt sollte sie sein, weil sich dann – ähnlich wie in einem Kühlschrank – die Bakterien nicht so schnell vermehren.“

Für besonders Mutige hat Professor Krastl eine Empfehlung, die erst einmal überraschend klingt: den ausgeschlagenen Zahn vor Ort wieder einpflanzen. Allerdings nur, wenn er frei von sichtbaren Verschmutzungen ist, etwa wenn es im Schwimmbecken zu dem Unfall kommt. „Dann ist die Replantation eigentlich sehr einfach – wenn man sich das denn zu­traut.“

Viel falschmachen lasse sich da nicht: Mit der Krone nach unten passe der Zahn nicht ins Knochenfach. Und selbst wenn man ihn versehentlich verdreht einsetzt, sei das egal. Denn der Zahnarzt könne ihn in der Praxis in die richtige Position bringen. „Wo soll der Zahn sich wohler fühlen als zu Hause? Studien zeigen, dass nach einer Sofortreplantation die Chancen für das Einheilen der Zähne mit Abstand am höchsten sind. Und nicht vergessen: Mit dem feucht gebetteten Zahn geht es schnellstmöglich zum Zahnarzt.“

Was macht der Zahnarzt mit dem ausgeschlagenen Zahn?

„Viele Patientinnen und Patienten wissen nicht, dass Zahnschäden sehr effektiv behandelt werden können“, sagt Gabriel Krastl. „Ein ausgeschlagener Zahn kann glücklicherweise wieder eingepflanzt werden.“ Die moderne Dental-Medizin verfüge über viele Behand­lungsmethoden, um gerade bei drastischen Unfällen den natürlichen Zustand wiederher­zustellen – „oftmals ohne Implantate oder künstlichen Zahnersatz.“ Für ein problemloses Einheilen sei jedoch entscheidend, dass die Zellen auf der Wurzeloberfläche des Zahnes nicht ausgetrocknet sind, bevor das Unfallopfer in der Praxis ankommt.

„Ein ausgeschlagener Zahn kann glücklicherweise wieder eingepflanzt werden.”
Professor Gabriel Krastl

Damit der ausgeschlagene Zahn wieder an alter Position einheilen kann, schient der Arzt ihn an, damit der Zahn nicht ausfällt. Dazu klebt er ihn mit einem kleinen Draht und etwas Kunststoffkleber vorübergehend – meist reichen ein paar Wochen – an unverletzte Nach­barzähne. „Auch Zähne, die nur verschoben sind, bringen wir in die ursprüngliche Position und schienen sie an“, erklärt der erfahrene Zahnmediziner.

Wie sieht es bei einem abgebrochenen Zahn aus?

Bricht beim Unfall ein Teil des Zahns ab, ist ebenfalls ein sofortiges Handeln am Unfallort erforderlich. Die Bruchstücke sollten unbedingt gesucht, eingesammelt und schnellstmög­lich zum Zahnarzt gebracht werden. In vielen Fällen lassen sie sich problemlos wieder an­kleben. Auch Zahnfragmente sollten – siehe ausgeschlagene Zähne – feucht gelagert wer­den. Nur dass hier auch eine Lagerung in Leitungswasser in Ordnung ist.

„In jedem Milliliter Speichel befinden sich eine Milliarde Bakterien.”
Professor Gabriel Krastl

Wie schlimm ist es, wenn ein Stück vom Zahn abbricht?

Das kommt auf die Art der Beschädigung an. Bricht ein Stück der Zahnkrone ab – das ist der Teil des Zahnes, der aus dem Zahnfleisch herausragt –, „dann kann man den Zahn sehr gut restaurieren“, sagt Professor Krastl. Optisch wird später kein Unterschied auszumachen sein, der Zahn funktioniert dann genau wie vorher. „Wird das abgebrochene Stück mitgebracht, lässt es sich wunderbar wieder drankleben.“ Kann das Fragment nicht gerettet werden, baut der Arzt den Zahn mit Kunststoffen in Zahnfarbe neu auf, auch das stelle die Zahnmedizin im Normalfall vor keine besonderen Herausforderungen.

Komplizierter wird es hingegen, wenn der Bruch tief unter das Zahnfleisch geht, in die Wurzel hinein. „Wenn das passiert, dann blutet es normalerweise recht stark und die Bedingungen für die Restauration sind schwierig.“ Dann können deutlich aufwendigere Be­handlungen nötig werden. „Aber in den meisten Fällen spielen sich die Frakturen vollständig im sichtbaren Bereich ab“, so Krastl.

Was in Einzelfällen hinzukommen kann: Die Fraktur im sichtbaren Bereich geht so tief, dass der Zahnnerv offen liegt. „In jedem Milliliter Speichel befinden sich eine Milliarde Bakterien. Wird die Frakturfläche über einen längeren Zeitraum nicht versorgt, kann der Zahnnerv infiziert werden.“ Dann wäre zusätzlich eine aufwendige Wurzelkanalbehandlung nötig, um den Zahn noch zu retten. Daher sollte die Behandlung am Tag des Unfalls erfolgen.

Werden Milchzähne behandelt wie bleibende Zähne?

Das beschriebene Vorgehen bezieht sich insbesondere auf die bleibenden Zähne. Werden Milchzähne stärker verletzt, dann ist deren Erhalt nicht ganz so bedeutend, so Krastl. In solchen Fällen gehe es vielmehr darum, bestmögliche Bedingungen für die nachkommen­den Zähne zu schaffen. „Schon wenige Monate nach der Geburt bildet sich tief im Kiefer­knochen der Keim des bleibenden Zahns. Entscheidend ist, dass der nicht durch die Thera­pie geschädigt wird.“ 

Deswegen werden vollständig ausgeschlagene Milchzähne nicht wieder eingepflanzt. Auch stark gelockerte und tief unter dem Zahnfleisch abgebrochene Milchzähne müssen meistens in der Zahnarztpraxis entfernt werden und können nicht gerettet werden.

Fazit

Zu einem Zahnunfall kann es nicht nur schnell kommen, man sollte danach auch schnell handeln – und besonnen. Der ausgeschlagene Zahn sollte den Zahnarzt erreichen, bevor er austrocknet. Dann stehen die Chancen gut, dass er wieder eingesetzt werden kann. Je­doch bietet die moderne Dental-Medizin auch gute Alternativen, falls der beschädigte Zahn nicht gerettet werden kann.

Quellen

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Prof. Dr. Gabriel Krastl

Experte

Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie sowie Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie und Leiter des Zahnunfallzentrums Würzburg

Markus Düppengießer

Autor

Markus Düppengießer, Journalist und Lektor, lebt in Köln. Früher schrieb er vor allem für Tageszeitungen, heute für verschiedene Fachmedien (on- und offline) aus den Bereichen Gesundheit und Personalwesen, für ein Straßenmagazin und eine Kinderzeitung. Zudem ist er Dozent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.