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Sport bei Erkältung: Wann Vorsicht geboten ist

Wer regelmäßig Sport treibt, verzichtet auch bei Erkältungen und anderen Infekten nur ungern auf Bewegung. Doch ist es häufig ratsam, eine Pause zu machen. Auch nach der Krankheit ist oft noch Schonen angesagt. Sonst können schwere Folgen drohen – warnen Bewegungsmediziner Prof. Joachim Latsch und Bewegungsphysiologe Prof. Otmar Moser.

Das Frühjahr ist die Zeit für gute und gesunde Vorsätze. Wer gesünder leben möchte, setzt gern auf mehr Bewegung – und wer ehrgeizig trainiert, widmet sich höheren Zielen. Doch die kalten Monate sind auch die Boomzeit für Infektionen aller Art – vom einfachen Schnupfen bis zu Corona-Erkrankungen und der echten Grippe. Den Keimen können wir trotz aller Vorkehrungen kaum entgehen. Mit Sport davonlaufen können wir ihnen erst recht nicht. Oft stehen sportlich Aktive vor der Frage, ob Training während einer Erkrankung oder in den Tagen danach sinnvoll ist.

„Grundsätzlich ist Bewegung an der frischen Luft ja gut“, sagt Prof. Dr. med. Joachim Latsch, der an der Hochschule Fresenius in Köln zu Präventions- und Bewegungsmedizin forscht und lehrt. „Allerdings stellen sich immer folgende Fragen: Betrifft die Infektion das ganze System, und wann und mit welcher Intensität möchte ich Sport betreiben?“, sagt Latsch. Geboten sind Vorsicht und ein genauer Blick auf die eigene Gesundheit.

Sollte ich trainieren, obwohl ich erkältet bin?

Grundsätzlich gilt: Lieber eine Pause einlegen als falschen Zielen hinterherrennen. „Wir sind enorm vorsichtig bei Training und Infektionen, weil wir die negativen Auswirkungen bei Hochleistungssportlerinnen und -sportlern genau sehen können“, sagt Professor Dr. Othmar Moser, der an der Universität Bayreuth zum Schwerpunkt „Exercise Physiology and Metabolism“ forscht, eben auch mit Spitzensportlern.

„Ich trainiere lieber eine Woche null Prozent als viele Wochen nur 50 Prozent. Das ergibt auch mit Blick auf die Fitness Sinn.”
Prof. Dr. Othmar Moser

Wer mit einer Erkrankung oder zu früh nach der Infektion wieder Sport treibt, geht Gesundheitsrisiken ein und kann damit auch langfristig seine körperliche Leistung schwächen. „Ich trainiere lieber eine Woche null Prozent als viele Wochen nur 50 Prozent. Das ergibt auch mit Blick auf die Fitness Sinn“, rät Othmar Moser. Seine Aussage leitet sich aus wissenschaftlichen Beobachtungen mit Sportlern in der Praxis ab. Studien dazu gibt es kaum, was in der Natur der Sache liegt: Es wäre nicht mit ethischen Standards zu vereinbaren, akut infizierte Menschen für die Wissenschaft einem Sportprogramm zu unterziehen.

Joachim Latsch geht davon aus, dass eine Konditionseinheit bei Infektionen ohnehin nicht den gewünschten Trainingseffekt bringen könne. Weil der Körper mit der Abwehr der Erreger beschäftigt sei, könne er nicht die gewünschten Kompensationsmechanismen abspielen, die für den sportlichen Erfolg wichtig sind. So ist Aktivität bei Erkrankung höchstens zur Regeneration, also zum Luftholen und zum schonenden Bewegen, geeignet.

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Ist Sport schon bei einer Erkältung Tabu?

Krank ist nicht gleich krank. Viele Menschen haben im Winter häufig eine laufende Nase, davon abgesehen aber keine sich ausbreitenden Krankheitssymptome. „In solchen Fällen ist es oft unproblematisch, Joggen zu gehen“, erklärt Joachim Latsch. Er rät zur Unterscheidung, ob es sich um lokale oder systemische Symptome handelt. Ein vereinzeltes Erkältungsanzeichen heißt hier kein Verbot für körperliche Bewegung.

Eine geübte Joggerin, die normal fünfmal pro Woche laufen gehe, könne auch eine Erkältung mit schonendem, reduziertem Training verbinden. Die Intensität sollte allerdings zum körperlichen Gefühl passen. Schon mit leichter Erkältung sind Intervalltraining oder Tempoläufe nicht geboten. Tritt nicht nur der Schnupfen auf oder ein leichter Husten, sondern ein Bündel an Krankheitsanzeichen, dann sollte man sich sportlich zurückhalten.

SymptomeAnzeichenSport?
lokalvereinzeltes Erkältungsanzeichen
(z.B. nur Schnupfen)
Ja
systemischmehrere Krankheitsanzeichen
(z.B. zu dem Schnupfen noch leichter Husten)
Nein

So stärkt Training die Abwehr

Bewegung hält das Immunsystem auf Trab. Diese grundsätzliche Erkenntnis spricht für viel Zeit an der frischen Luft. Selbst in Bezug auf Corona kann das positive Effekte haben, wie eine groß angelegte Studie in den USA bestätigt. In der Studie zeigte sich, dass regelmäßige sportliche Aktivität mit einem 2,5-fach höheren Schutz vor schweren Infektionsverläufen in Zusammenhang gebracht wird.

Ganz konkret schützt Bewegung an der frischen, feuchten Luft auch vor dem Eindringen von Erregern: Als Abwechslung zur trockenen Heizungsluft bietet die Atmosphäre draußen den Schleimhäuten genug Feuchtigkeit, um sich zu stärken, argumentiert Fresenius-Professor Joachim Latsch. Allerdings gelten diese allgemeinen Vorteile nur so lange, wie der Körper nicht schon mit der Attacke durch Viren oder Bakterien unter Stress steht.

So schwächt Training die Abwehr

„Sport hat zwei Auswirkungen auf die Entzündungen im Körper“, erklärt Othmar Moser: „Nach dem Training profitieren wir von den anti-inflammatorischen Wirkungen, aber am Anfang und während der sportlichen Belastung kommt es eher noch zu mehr Inflammation im Körper.“

„Ist unser Immunsystem also mit dem akuten Kampf gegen einen Erreger bereits stark beschäftigt, dann setzt der Sport uns nochmal stärker unter Stress.”

Ist unser Immunsystem also mit dem akuten Kampf gegen einen Erreger bereits stark beschäftigt, dann setzt der Sport uns nochmal stärker unter Stress. „Wenn dieser Kampf bereits tobt und ich noch einen Stressor draufpacke, potenziert sich die schädliche Wirkung für unseren Körper“, warnt Othmar Moser.

Wer intensiv Sport betreibt, kann sogar unter einem sogenannten „Open-Window“-Effekt leiden. Das gilt für gesunde, aber auch für Sportler mit bereits vorhandener Infektion. Weil der Körper nach anstrengenden sportlichen Einheiten Bestandteile des weißen Blutes braucht, um die Muskulatur zu reparieren, fehlen diese Elemente dem Immunsystem bei der Abwehr von Erregern.

„Solange ich im Körper eine Inflammation habe, beschäftigt sich mein Körper mit dem Haupterreger – und lässt andere Viren oder Bakterien zunächst unbeachtet“, erklärt Othmar Moser. So können sich weitere Krankheiten ungestört im Körper ausbreiten.

Wichtige Anzeichen für eine Trainingspause

Einige Signale des Körpers sollten Hobbysportler auf keinen Fall ignorieren:

  • Halsschmerzen sind sehr oft Vorboten von Entzündungen im Hals, etwa Mandelentzündungen.
  • Treten Symptome wie Schnupfen, Husten und Halsschmerzen zusammen auf, dann deutet dies auf eine systemische Infektion hin.

Die sogenannten „Gliederschmerzen“, also Schmerz in der Muskulatur, sind ebenso ein Hinweis auf einen ernsteren Infekt wie etwa gefärbter Auswurf beim Husten.

„Treten solche Symptome auf, ist ein hundertprozentiger Stopp des Trainings angezeigt.”
Prof. Dr. Othmar Moser

„Treten solche Symptome auf, ist ein hundertprozentiger Stopp des Trainings angezeigt“, mahnt der Bayreuther Physiologe Moser. Das bedeutet nicht, grundsätzlich auf Aktivität zu verzichten. Ein zügiger Spaziergang etwa ist für den Organismus weiterhin wertvoll, solange sich der oder die Betroffene danach fühlt. „Von jeder Art der höheren Intensität ist allerdings abzuraten, bis ich mich vom Infekt wieder erholt fühle.“

Absolute Trainingspause bei Corona

Wird durch einen Sars-CoV-2-Test eine Infektion mit Coronaviren nachgewiesen, so gilt grundsätzlich eine strenge Trainingspause. Selbst wenn die Infektion asymptomatisch ist, rät Moser dennoch zu zwei Wochen absolutem Sportverbot. Treten zum positiven Test auch Symptome auf, so empfiehlt er nach Abklingen der Viruslast eine weitere Pause von zwei bis vier Wochen.

„Früher tolerierte man Sport noch bei erhöhter Temperatur und ließ Leistungssportler bis knapp 38 Grad an Wettkämpfen teilnehmen. Davon sind wir heute abgerückt“, sagt Joachim Latsch. Das Risiko schwerer Schäden ist einfach zu groß. Wer ein Fiebergefühl oder nur leicht erhöhte Temperatur feststelle, gehöre ins Bett und nicht auf die Laufstrecke.

Der Puls zeigt früh, wenn ein Infekt heraufzieht

Dank moderner Technik ist es gut möglich, eines der wichtigsten Frühzeichen für eine drohende Erkrankung zu sehen. Mittels Herzfrequenzmessung – ob mit Pulsband und Trainingscomputer oder mit modernen, zuverlässigen Smartwatches – lässt sich sehr gut erkennen, ob die Herzfrequenz zur eigenen Norm passt oder ob die Werte höher ausfallen. „Sind bei vermeintlich leichten Belastungen die Werte plötzlich viel höher als normal, dann deutet das auf einen Infekt hin“, erklärt Moser.

„Sind bei vermeintlich leichten Belastungen die Werte plötzlich viel höher als normal, dann deutet das auf einen Infekt hin.”
Prof. Dr. Othmar Moser

Sehr aufschlussreich, aber eher für Fortgeschrittene geeignet, ist eine Analyse des Ruhepulses, hier vor allem der Herzratenvariabilität. Dieser Wert zeigt die Dauer zwischen zwei Herzschlägen an und lässt sich mit vielen modernen Geräten bestimmen. „Hier kann man oft schon sehr früh erkennen, dass ein Infekt heraufzieht. Diese Werte zeigen quantifizierbar, ob es einem Menschen gut oder schlecht geht“, erklärt Moser.

Das große Risiko: Das Training schwächt das Herz

Nicht nur Profisportler, sondern auch Hobbyathleten fürchten lebensgefährliche Erkrankungen des Herzens infolge einer Infektion. „Tatsächlich kann eine Myokarditis, also eine Herzmuskelentzündung, jedem bei einer Infektion unterkommen“, erklärt Moser. Sie könne entstehen, wenn Sportler sich überlasten, einen eher leichten Infekt übergehen und letztlich einen Befall mit Keimen am Herz erleiden.

Die Myokarditis kann also durch den Sport mit verursacht werden, dieser Zusammenhang ist etwa bei Coronaviren gut erforscht. Die Erkrankung festzustellen, ist keine einfache Sache: mittels Elektrokardiogramm (EKG), Ultraschall und Troponin-Analyse bestimmen Fachleute, ob das Herz den Anschein macht, entsprechend geschwächt zu sein.

„Sport ist nach solch einer Erkrankung über Wochen oder gar Monate, je nach Verlauf, nicht geboten.”

Joachim Latsch weiß aber auch: In den meisten Fällen spüren Betroffene erhebliche Einschränkungen im Alltag, etwa Luftnot bei körperlicher Aktivität, generelle Atemnot und Abgeschlagenheit. „Oft ist die Myokarditis symptomatisch, dann gilt es, sofort zum Arzt zu gehen“, erklärt Latsch. Sport ist nach solch einer Erkrankung über Wochen oder gar Monate, je nach Verlauf, nicht geboten.

Wie lange sollte ich nach der Erkältung keinen Sport machen?

Wenn der Körper hart gekämpft hat, braucht er auch eine Erholung. War die Erkältung mild, dann kann man wieder nach ein paar Tagen in leichtes Ausdauertraining einsteigen. Bei Fieber gilt: Mindestens fünf, eher sieben Tage Pause vom Joggen oder Rennradfahren. Othmar Moser rät dazu, sehr vorsichtig zu agieren, auch wenn man sonst sehr gut in Form ist. So gelte es, zunächst erst wieder zügig zu spazieren, dann langsamere Grundlagen-Einheiten einzustreuen.

„Wer zu früh oder mit zu hoher Belastung wieder einsteigt, kann auch in einen Teufelskreis gelangen“, sagt Moser. Ist der Körper durch den Infekt schon grundermüdet, so wirkt der ambitionierte Sport nicht therapeutisch, sondern erhöht wiederum die Erschöpfung. So sehr wir uns also nach Training sehnen, wir brauchen eine oder zwei Wochen Geduld nach einem spürbaren Infekt.

FAQ Sport bei Erkältung

Hier die häufig gestellten Fragen und Antworten zum Thema Sport bei Erkältung:

Hinweis: Die hier angegebenen Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information und können eine erforderliche medizinische Beratung, Diagnose oder Empfehlung nicht ersetzen. Bei Fragen oder Symptomen im Zusammenhang mit Sport bei Erkältung sollte immer ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden.

Quellen

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Dr. Joachim Latsch

Experte

Forscht an der Hochschule Fresenius in Köln zu Präventions- und Bewegungsmedizin

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Professor Dr. Othmar Moser

Experte

Forscht an der Universität Bayreuth zum Schwerpunkt „Exercise Physiology and Metabolism“.

Tim Farin

Autor

Tim Farin ließ sich an der Deutschen Journalistenschule München ausbilden. Zu seinen Schwerpunkten zählen Sport, Fitness und Gesundheit. Als leidenschaftlicher Rennradfahrer und Marathonläufer kennt er sich mit dem Herz-Kreislauf-System bestens aus und hat mit Prof. Klaus Bös und Prof. Getrud Winkler das Buch „Fit in 12 Wochen“ veröffentlicht.