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Kinder zu guten Schwimmern machen – das sollten Eltern beachten

Die Gefahr in Seen oder Flüssen zu ertrinken, ist 2021 zwar gesunken. Jedoch bleibt sie – gerade für Nichtschwimmer – groß. Die DLRG zählt auch Kinder mit dem Seepferdchen-Abzeichen zu Nichtschwimmern. Erst ab dem Bronze-Abzeichen seien sie in der Lage, bei Problemen im Wasser zu überleben, bis Hilfe kommt. Was Eltern tun können, um Kinder zu ausdauernden Schwimmern zu machen und warum Schwimmflügel das falsche Equipment sind, darüber informiert dieser Artikel.

 

Elfjährige rettet einen Jungen vor dem Ertrinken

Es war ein Sonntag in den Sommerferien, die elf Jahre alte Sophie lag mit ihrer Familie am Kölner Fühlinger See im Sand und blickte auf die glitzernde Wasseroberfläche. Es war halb fünf Uhr nachmittags im Juli 2021, die Sonne stand schon etwas tiefer, als Sophie ein vier Jahre alter Junge auffiel, der ohne Schwimmhilfe und allein am Ufer planschte. Plötzlich tapste das Kind ein paar Schritte weiter in den See und verschwand lautlos unter der Wasseroberfläche. Sophie handelte sofort, sprang auf, rannte in den See und zog den Jungen ans Ufer. Er war bereits bewusstlos.

Acht von zehn Ertrunkenen waren 2021 männlich

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland mindestens 299 Menschen ertrunken. Das sind 79 Todesfälle im Wasser weniger als noch im Jahr davor, wie die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) bekannt gibt. Die Präsidentin der DLRG, Ute Vogt, schränkt aber ein: „In der Statistik nicht enthalten sind jedoch die Opfer der schrecklichen Hochwasser-Katastrophe im vergangenen Jahr.“

Besonders gefährlich ist den Zahlen zu Folge das Baden in Seen und Flüssen, 85 Prozent aller tödlichen Unglücke ereigneten sich dort. Was laut Harald Rehn von der DLRG vor allem daran liegt, dass dort – anders als zum Beispiel im Freibad – häufig keine Wasseraufsicht die Badestelle bewacht. Mit 60 Toten im Jahr ereigneten sich besonders viele tödliche Badeunfälle in Bayern.

Acht von zehn Ertrunkenen waren 2021 männlich, 17 der ertrunkenen Personen unter zehn Jahre alt. Eltern können die Gefahr, dass ihr Kind Opfer eines Badeunfalls wird, durch vorausschauendes und umsichtiges Handeln verringern. Harald Rehn, Pädagoge und Ausbildungsreferent bei der DLRG nennt die wichtigsten Dinge, auf die Eltern achten sollten.

Für die DLRG zählen Kinder mit Seepferdchen zu „Nichtschwimmern“

Jeder sechste Zehnjährige in Deutschland, so schätzt die DLRG, ist Nichtschwimmer. Die Zahlen divergieren und hängen auch davon ab, wen man als Nichtschwimmer zählt und welche Altersgruppen berücksichtigt werden. Das Robert-Koch-Institut zählt lediglich 15 Prozent Nichtschwimmer unter den Kindern zwischen fünf und 17 Jahren.

Der Unterschied erklärt sich daraus, dass die DLRG davon ausgeht, dass auch jene Kinder zur gefährdeten Gruppe der Nichtschwimmer zählen, die lediglich das Seepferdchen-Abzeichen absolviert haben.

„Wir sehen das Seepferdchen als Motivationsabzeichen. Sichere Schwimmfähigkeit attestiert erst das Deutsche Schwimmabzeichen in Bronze, also der Freischwimmer.”
Harald Rehn. DLRG

„Wir sehen das Seepferdchen als Motivationsabzeichen. Sichere Schwimmfähigkeit attestiert erst das Deutsche Schwimmabzeichen in Bronze, also der Freischwimmer“, sagt Rehn. Mindestens 15 Minuten müsse man schwimmen können, um dies zu erlangen – eine Zeitspanne mit lebensrettendem Hintergrund, schließlich sei die Hilfsfrist der Rettungskräfte in den meisten Bundesländern in Deutschland auf 15 Minuten ausgelegt, wie Rehn erklärt.

Eltern sollten den Schwimmkurs den Profis überlassen

Laut Professor Wolf-Dietrich Brettschneider von der Uni Paderborn liegt die Zahl der Schulkinder, die mindestens ein Freischwimmerabzeichen besitzen, bei lediglich 30 Prozent. Häufig sei auch die Entfernung der Schulen zu öffentlichen Schwimmbädern ein Problem. In mehr als jeder dritten Grundschule Deutschlands müssen die Kinder laut Brettschneider mehr als drei Kilometer gefahren werden, um überhaupt bei einem Schwimmbad anzukommen.

Rehn empfiehlt trotz des oft nicht ausreichenden Angebots in jedem Fall, einen zertifizierten Schwimmkurs zu besuchen. „Eltern sind Experten für ihr Kind, aber Schwimmlehrer sind Experten für das Schwimmen. Deshalb sollte man das einem Fachmann oder einer Fachfrau überlassen.“

Der Schwimmkursbesuch ergebe aber erst ab fünf Jahren wirklich Sinn. Vorher sind die körperlichen Voraussetzungen wegen der noch zu kurzen Arme und Beine nicht gegeben, um sich wirklich über Wasser halten zu können.

Je später ein Kind mit dem Schwimmenlernen beginne, sagt Rehn, desto schneller geht es. Er rät aber dennoch so früh wie möglich zum Schwimmkurs: „Wenn das Kind schon mit fünf anfängt, kann es trotzdem zwei Jahre früher schwimmen, als wenn es erst mit acht beginnt.“ Und zwei Jahre früher Schwimmen können bedeuten zwei Jahre mehr Sicherheit am Badestrand.

„Eltern sind Experten für ihr Kind, aber Schwimmlehrer sind Experten für das Schwimmen. Deshalb sollte man das einem Fachmann oder einer Fachfrau überlassen”
Harald Rehn, DLRG

Zuerst Brustschwimmen zu lernen ist eine deutsche Eigenart

Dass in Deutschland in vielen Fällen noch zuerst das Brustschwimmen als Einstiegsschwimmart vermittelt wird, hat seine Ursprünge im Militär. General Ernst von Pfuel gründete 1810 die erste Militär-Schwimmschule. Das Brustschwimmen hielt er für die für den Menschen geeignetste Fortbewegungsmethode im Wasser. Der Frosch sei ein guter „Lehrmeister“, „denn die Beschaffenheit seines Körpers ähnelt in den Teilen, welche hauptsächlich zum Schwimmen notwendig sind, sehr der des Menschen“.

Außerdem – und das war für die Einsatzzwecke der Soldaten nicht ganz irrelevant – ist das Brustschwimmen die einzige Schwimmart, in der ein Mensch versteckt ein Gewehr mit sich führen kann. In angelsächsischen Ländern, sagt Rehn, habe man sich darauf festgelegt, den Kindern zunächst eine vereinfachte Form des Kraulschwimmens beizubringen.

Neue Regel – das Kind erkennbar ins Wasser ausatmen

„Mit dem Rückenkraul hat man dort und auch in einigen Projekten in Deutschland große Erfolge erzielt“, sagt Rehn. In Deutschland sei es den Schwimmlehrerinnen und -lehrern grundsätzlich freigestellt, welche Schwimmart sie vermitteln. Laut Rehn hätten alle Schwimmarten Vor- und Nachteile, das heißt, die „ideale“ Anfangsschwimmart gibt es nicht.

„Die ideale Anfangsschwimmart gibt es nicht.”
Harald Rehn. DLRG

Häufig wählt man hierzulande immer noch das Brustschwimmen. Die neue Prüfungsordnung für das Seepferdchen schreibt seit kurzem vor, beim Brustschwimmen müsse erkennbar sein, dass das Kind „ins Wasser ausatmet“. Mit dieser Ergänzung soll die Lehre der auf das Schwimmen vorbereitenden Grundfertigkeiten, wie zum Beiepiel das Atmen verstärkt in die Praxis Einzug halten.

„Auf diese Art und Weise kann sich das Kind ausdauernder und kraftsparender im Wasser fortbewegen. Richtig erlernt bekommt man dann als Erwachsener auch keine Nackenschmerzen von einer unnatürlichen Kopfhaltung“, ergänzt Rehn.

Was Eltern vorbereitend selbst tun können

Auch wenn sie das Schwimmenlernen Fachleuten überlassen sollten, kommt den Eltern laut DLRG vorab eine wichtige Aufgabe zu. Sie müssen das Kind an den entspannten und freudigen Umgang mit dem Wasser gewöhnen. „In der Badewanne plantschen, Quatsch machen beim Haare waschen, ins Schwimmbad gehen, spritzen, plantschen, springen, Kopf unter Wasser, zeigen, wie viel Spaß das alles machen kann“, zählt Rehn auf.

Auch das richtige Atmen beim Schwimmen könnten Eltern ihren Kindern schon beibringen. „Kurz und heftig durch den Mund über Wasser einatmen, dann lang durch Mund und Nase unter Wasser ausatmen – keinesfalls andersrum“, bekräftigt er. Wenn Kinder das beherrschten, sei die Gefahr des Sich-Verschluckens schon deutlich verringert.

Auch das horizontale Gleiten im Wasser könnten Eltern ihren Kindern schon vor dem Schwimmkurs beibringen. „Anders als an Land, wo wir uns senkrecht fortbewegen, müssen wir im Wasser waagerecht gleiten. Wer das kann, hat schon eine wichtige Grundfertigkeit für alle späteren Schwimmarten gelernt“, sagt Rehn.

Auf Schwimmflügel verzichten. Erlaubt ist höchstens die Poolnudel

Wer Harald Rehn auf Schwimmflügel anspricht, der hört ihn zunächst seufzen. Natürlich, sagt er, könne er das Sicherheitsbedürfnis vieler Eltern nachvollziehen. Und für kurze, gefährliche Strecken an Land, beispielsweise für den Weg zur Toilette, der am tiefen Schwimmerbecken vorbeiführt, seien sie eine Möglichkeit, die Sicherheit zu erhöhen. Aber: „Fürs Schwimmenlernen sind Schwimmflügel nicht sinnvoll. Wir lehnen sie im Wasser kategorisch ab.“ Rehns Meinung nach hält sich ihr Nutzen in Grenzen.

„Wer Flügel trägt, lässt die Beine vertikal unter Wasser sacken – so kann ein Kind nicht schwimmen lernen.”
Harald Rehn, DLRG

Auch mit Schwimmflügeln könnten Kinder sich verschlucken und mit dem Kopf unter Wasser geraten. Beaufsichtigt werden müssten Nichtschwimmer deshalb ohnehin jederzeit. Zum anderen schaden Schwimmhilfen wie aufblasbare Flügel dem Schwimmenlernen. „Das Kind muss den natürlichen Auftrieb im Wasser selbst erfahren – mit Schwimmflügeln ist das unmöglich.“ Auch die horizontale Schwimmhaltung könne man mit Flügeln nicht einnehmen. „Wer Flügel trägt, lässt die Beine vertikal unter Wasser sacken – so kann ein Kind nicht schwimmen lernen.“

Rehn rät Eltern, mit ihren Kindern nur im Nichtschwimmerbecken zu plantschen. „Die Regel ist: Das Wasser reicht bis zum Bauch. Das sollte man beachten. Dann braucht ein Kind auch keine Schwimmflügel. Es kann sehr gut unter Aufsicht gleiten, springen, tauchen und Unter-Wasser-ausatmen üben.“ Lediglich eine Poolnudel sei als unterstützendes Spielgerät sinnvoll. „Die ist flexibel und vielseitig einsetzbar“, sagt Rehn.

Erste Hilfe – Ertrinkende schreien nicht

Wenn das eigene Kind oder eine andere Person in Not gerät, sind Eltern natürlich auch als Hilfspersonen gefragt. „Wichtig ist: Alles ist besser als Nichtstun“, sagt Rehn. „Sieht man eine Person, die sich nur mit Mühe über Wasser hält, oder immer wieder untergeht, sollte man auf jeden Fall um Hilfe rufen und mindestens per Mobiltelefon den Rettungsdienst alarmieren“, fordert Rehn. Auf lautes Rufen des Opfers darf man nicht warten, denn: „Ertrinkende brauchen ihre Energie, um über Wasser zu bleiben.

Die können nicht schreien.“ Gute Schwimmerinnen und Schwimmer können selbst zur Rettung ins Wasser springen, um die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu überbrücken. „Wenn etwas rumliegt, das Auftrieb verspricht, wie zum Beispiel ein Ball, dann nehmen Sie das in jedem Fall mit ins Wasser. Die zu rettende Person kann sich dann daran festhalten“, erläutert Rehn. Das gilt zumindest dann, wenn die Person noch bei Bewusstsein ist.

In jedem Fall sei entscheidend, Mund und Nase des Ertrinkenden über Wasser zu halten. Dazu eigne sich beispielsweise der Seemannsfesselschleppgriff. Der Ertrinkende liegt dazu auf dem Rücken, der Retter schwimmt seitlich unter ihm und greift mit dem rechten Arm zwischen rechtem Oberarm und Rücken des Verunglückten hindurch und ergreift den linken Oberarm.

Der vier Jahre alte Junge vom Kölner Fühlinger See wurde übrigens gerettet. Die elf Jahre alte Sophie konnte ihn rechtzeitig an Land ziehen. Ihre Mutter alarmierte Feuerwehr und Polizei, mit ihrer Tochter kümmerte sie sich um den kleinen Jungen, bis die Rettungskräfte eintrafen. Dank des schnellen Handelns der Elfjährigen konnte das Leben des Buben gerettet werden. Sogar die Polizei hat sich bei Sophie für ihr mutiges Handeln bedankt. Ein Sprecher sagte: „Dank ihr wird der Vierjährige diesen Tag vermutlich unbeschadet überstehen.“

Claudia Lehnen

Autorin

Claudia Lehnen wollte als Jugendliche Ärztin werden, entschied sich dann aber dafür, lieber über Medizin und Menschen und ihre Krankheits- und Genesungsgeschichten zu berichten. Die in Köln niedergelassene Journalistin, die im Tageszeitungs-Journalismus zu Hause ist, ist unter anderem auf das Themengebiet Gesundheit spezialisiert.