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Kinderbücher, die beim Gesundwerden helfen

Die Stirn ist heiß, der Husten trocken, die Augen glasig. Kranke Kinder brauchen viel Zuwendung von Bezugspersonen und manchmal Medizin. Was aber über Hustensaft und Wadenwickel hinaus beim Gesundwerden helfen kann, ist die richtige Lektüre. Und zwar nicht für Erwachsene, sondern für die kranken Kinder selbst. Wir haben uns gemeinsam mit einem Kinderarzt in der Medizinecke der Kinderbibliothek umgesehen und empfehlen die besten Bücher zur Genesung.

Wenn die Nase verstopft ist, das Bein gebrochen oder der Bauch schmerzt, braucht ein Kind elterliche Betreuung und einen guten Arzt, der die nötige Medizin verschreibt oder gar eine OP plant. Aber um wirklich gesund zu werden, ist zudem Zuwendung, Zuversicht und Aufklärung nötig. Und genau dabei kann Medizinlektüre schon für die Jüngsten einen wertvollen Beitrag leisten.

Dass Bücher gerade am Krankenbett genau richtig liegen, lässt sich schon an Studien belegen, die zeigen, dass Lesen den aktuellen Stresspegel um bis zu 68 Prozent senkt. Eine amerikanische Langzeitstudie kam gar zu dem Ergebnis, dass eifrige Leser von Büchern im Durchschnitt 23 Monate länger leben als Personen, die keine Bücher zur Hand nehmen.

Welche zusätzlichen Effekte Kinderbücher zu medizinischen Themen darüber hinaus haben können und welche Bücher für welche Gelegenheit und welches Alter zu empfehlen sind, haben wir zusammen mit dem Kölner Kinderarzt Anselm Bönte herausgefunden.

Bücher zum Trösten

Am wichtigsten beim Gesundwerden sei vielleicht der Glaube, dass alles wieder gut werde, sagt Experte Bönte. Deshalb sollte in einer medizinischen Kinderbibliothek gerade für die ganz kleinen Patienten das Thema Trost im Vordergrund stehen. „Kranksein, das bedeutet erstmal schwach sein und Bedrohung, wir als Kinderärzte wollen das aber gerne umwanden und sagen: Wenn du zum Arzt gehst, dann wirst du wieder stark und gesund“, sagt Bönte.

Und genau für diesen Glauben an die Superheldenpower des eigenen Körpers gebe es auch unterstützende Lektüre. Da gibt es zum Beispiel die Eule, die eine Beule hat. Was passiert? Der Fuchs pustet, die Maus bringt ein Pflaster und die Schlange streichelt ihr die Wange. Oder der Bieber mit dem Fieber. Da macht das Karnickel kalte Wickel und die ganze Freundestruppe kocht eine gesunde Suppe.

„Empfehlenswert sind in jedem Fall Bücher, die das Vertrauen in den eigenen Körper stärken und den Kindern das Gefühl vermitteln: Wenn ich krank bin, muss ich mich ausruhen, aber dann wird auch alles wieder fast von allein gut“, sagt Bönte. Der Körper sei schließlich eine „unglaublich geniale Erfindung und fast immer wird alles fast von alleine wieder gut“, sagt Bönte.

Ein bisschen Unterstützung tut dabei allerdings sowohl der Eule, dem Bieber, als auch dem Kind gut: „Gesundes Essen, frische Luft, ein bisschen Bewegung und vielleicht auch mal eine Medizin.“

Beispiele

  • Susanne Weber: Die Eule mit der Beule. Oetinger. 2013. Ab 18 Monaten.
  • Susanne Weber: Der Bieber hat Fieber. Oetinger. 2013. Ab 18 Monaten.

Pflege und Zuwendung helfen beim Gesundwerden

Eine der wichtigsten Zutaten, um ein krankes Kind erfolgreich wieder gesund zu kriegen, ist laut Bönte die Zuwendung einer nahen Bezugsperson. Mütter, die stundenlag am Bett Wache halten, Väter, die fieberheiße Stirnen streicheln, können manchmal mehr ausrichten als die beste Medizin.

„Deshalb finde ich Kinderbücher besonders schön, die die Botschaft vermitteln: Wer krank ist, hat jemanden, der sich um ihn kümmert“, sagt Bönte. Ein Freund, der alles dafür tut, dass es einem besser geht, der einen sogar ins Krankenhaus begleitet und während der Operation Wache schiebt – so viel Zuwendung nennt Bönte „sekundären Krankheitsgewinn“.

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Nachzulesen ist die Geschichte im Klassiker „Ich mach dich gesund, sagte der Bär“ von Janosch. Aber manche Bücher gehen in der pädagogischen Aussage noch einen Schritt weiter. Und weil Krankheiten ja zuweilen ansteckend sind, wechseln diejenigen, die zuerst krank waren, am Ende in die Rolle der Pflegenden.

Wie bei Lama Lama, das nach einer überstandenen Erkältung die bettlägerige Mutter pflegt – und schließlich nicht nur körperlich gesund, sondern auch stark vor lauter Selbstbewusstsein ist. Auch die Buchreihe „Lieselotte“ von Alexander Steffensmeier bietet einen ähnlichen Plot. Gut gepflegt und versorgt kann die Kuh am Ende die niesende Bäuerin betüddeln und sich als Krankenpflegekuh nützlich machen.

Beispiele:

Ab drei Jahren:

  • Janosch: Ich mach dich gesund, sagte der Bär. Beltz & Gelberg. 2019 (Neuauflage).
  • Anna Dewdney: Lama ist krank. Rowohlt. 2020. Ab drei Jahren.

Ab vier Jahren:

  • Alexander Steffensmeier: Lieselotte ist krank. Sauerländer. 2013.

Tipps, wie sie die Botschaft zum gesund werden richtig vermitteln, lesen Sie in unserem Artikel „Vorlesen – die geheime Superkraft! Wie Sie Ihre Kinder lesend fördern können.“

Mit Humor geht es gleich besser

Egal ob das Kind nur eine Angina wegausruhen muss, oder wegen schlimmerer Gebrechen im Krankenhaus liegt: Lachen ist eigentlich immer eine gute Medizin. Und deshalb sollte eine medizinische Kinderbibliothek nicht nur bierernste Stoffe vereinen. Und nach Meinung von Anselm Bönte nicht nur deskriptiv und starr an die Krankheitsgeschichte rangehen.

„Das ist Kindern viel zu langweilig, weil vorhersehbar“, sagt Bönte. Je origineller der Plot, je skurril-überraschender die Wendungen, desto eher vergessen Kinder darüber einen schmerzenden Hals oder ein wundes Knie.

„Humor ist bei der Aufklärung über Krankheiten wichtig, selbst bei schweren Krankheiten“, sagt Bönte. Ein wunderbar ebenso witziges wie tiefsinniges Wander-Movie in Comicformat für etwas ältere Kinder bietet beispielsweise die Geschichte vom Chemo-Häschen und dem Schusswunden-Wolf.

Beide lernen sich im Buch „Trip mit Tropf“ im Krankenhaus kennen und statt den Hasen zu fressen, flieht der Wolf gemeinsam mit dem neuen Freund. Immer dabei: Das sperrige Infusionsgerät. Dieser Umstand und die originellen Gespräche zwischen dem ungleichen Paar bringen auch erwachsenes Pflegepersonal zum Lachen.

Beispiele

Ab drei Jahren:

  • Ursula Meisinger, Milly Orthen und Papan: Eddie Flitzefuß im Krankenhaus. Zuckerschwerdt. 2012.

Ab vier Jahren:

  • Sven Nordqvist: Mama Muh braucht ein Pflaster. Oetinger. 2018.

Ab zwölf Jahren:

  • Josephine Mark: Trip mit Tropf. Kibitz-Verlag. 2022.

Ein bisschen Grusel darf es sein

Früher setzten Kinderbüchern auch beim Thema Gesundheit oft auf das abschreckende Beispiel und die Angst vor schlimmen Schmerzen. Beim „Struwwelpeter“ zum Beispiel will der Kaspar seine Suppe nicht essen. „Ich esse keine Suppe! Nein! Ich esse meine Suppe nicht! Nein, meine Suppe ess‘ ich nicht!“ Und ist zur Strafe am fünften Tag tatsächlich tot.

Mit derart drastischen und dabei ernsten Geschichten würde Anselm Bönte Kinder heute nicht mehr konfrontieren. „Wir wollen nicht so sehr die Gesundheitsgefahren in den Vordergrund stellen, sondern eher positiv motivieren, den Körper durch gutes Essen und Bewegung gesund zu halten“, sagt der Kinderarzt.

Dennoch: Ist der Grusel mit Witz präsentiert, könnten derart drastische Bücher bei manchen Kindern tatsächlich nachhaltig positiven Eindruck hinterlassen. „Lola rast“ nennt Bönte als schauriges, allerdings ironisch-witzig gebrochenes Beispiel. Das Mädchen Lisa, das sich nie die Zähne putzen will, verliert hier am Ende beim Biss in einen Apfel all ihre Schneidewerkzeuge: „All ihre Zähne stecken / in dem Apfel kreuz und quer / Im Mund hat sie nun keine mehr“, reimt Wilfried von Bredow für robustere Naturen.

„Ich kenne Kinder, die hat das tatsächlich nachhaltig zur Zahnpflege motiviert“, sagt Bönte. Das mit umwerfender Komik bebilderte Buch erinnert an die „schwarze Pädagogik“ des Struwwelpeters, bricht die Mahnungen aber ironisch.

Zur Zahngesundheit gibt es natürlich außerdem den Klassiker „Karies und Baktus“. Die beiden winzigen Gestalten bauen sich mit Hammer und Hacke ganze Wohnblöcke in Jens‘ Mund. Das klappt so ungestört, weil sich der Junge ebenfalls nie die Zähne putzt. Ein Kinderbuch, das zwar mit Angst vor Schmerzen und kleinen Monstern in den Zähnen agiert, gleichzeitig aber die Angst vorm Zahnarzt verschwinden lassen soll.

Beispiele

Ab drei Jahren:

  • Thorbjörn Egner: Karies und Baktus. C. Bertelsmann. 1976.

Ab vier Jahren:

  • Wilfried von Bredow, Anke Kuhl: Lola rast. Klett 2009.

Ab acht Jahren:

  • Birte Müller, Yannick de la Peche: Wie krank ist DAS denn?! Gruselige Krankheiten von früher und heute. Klett. 2021.

Wissen hilft vor allem älteren Kindern

Bei etwas älteren Patienten gilt es, den Wissensdurst zu stillen. Der Körper biete schließlich ein spannendes und komplexes Untersuchungsfeld, sagt Bönte: „Kinder ab dem Grundschulalter fragen sich: Wie funktioniert das genau? Wie kommt der Sauerstoff ins Blut? Wie arbeiten Abwehrkräfte?“ Hier eignen sich auch Tiptoi-Bücher besonders gut.

Und das nicht nur deshalb, weil auch Kinder, die noch nicht so gut lesen können, sich hier alleine beschäftigen können. „Diese Bücher bieten eine geheimnisvolle zweite Ebene, weil beim Drauftippen eben eine Stimme aus dem Buch erklingt.“ Für Wissensvermittlung empfindet Bönte diese Kombination aus Bild und Ton ideal. Aber auch Bücher mit vielen Klappen oder Entdeckungsmöglichkeiten per Pappschieber oder einfach mit guten, kindgerechten Grafiken, seien geeignet.

Beispiele

Ab vier Jahren:

  • Heike Tober: tiptoi. Wieso? Weshalb? Warum? Alles über den Körper. Ravensburger. 2022.

Ab fünf Jahren:

  • Dagmar Geisler: Vom Kranksein und Gesundbleiben. Loewe. 2021.

Ab sieben Jahren:

  • Matthias von Bornstädt und Timo Grubing: Mein Körper ist ein Superheld. Wie unser Immunsystem Krankheiten abwehrt. Arena. 2021.

Ab elf Jahren:

  • Was ist was: Die Viren und wir. Den Verwandlungskünstlern auf der Spur. Tessloff. 2021.

Quellen

  • https://www.arts.gov/stories/blog/2015/why-it-pays-read
  • https://www.theguardian.com/books/2016/aug/08/book-up-for-a-longer-life-readers-die-later-study-finds

Claudia Lehnen

Autorin

Claudia Lehnen wollte als Jugendliche Ärztin werden, entschied sich dann aber dafür, lieber über Medizin und Menschen und ihre Krankheits- und Genesungsgeschichten zu berichten. Die in Köln niedergelassene Journalistin, die im Tageszeitungs-Journalismus zu Hause ist, ist unter anderem auf das Themengebiet Gesundheit spezialisiert.