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Gesundes Superfood durch Fermentation

Was haben Bier, Essiggurken, Tee und Sauerteigbrot gemeinsam? Ihr unverwechselbarer Charakter entsteht durch Fermentation. Das ist eine uralte Form der Konservierung und Geschmacksumwandlung von Lebensmitteln, bei der sich Bakterien an Zuckern zu schaffen machen. Rund ein Drittel der bei uns üblichen Lebensmittel ist fermentiert. Willkommener Nebeneffekt: Die meisten fermentierten Lebensmittel sind super gesund und schmecken!

„Prost!“ heißt es schon 7.000 vor Christus, als in China mit einer Art Alkopop aus fermentierten Trauben, Weißdorn, Honig und Reis angestoßen wird. Nun ist Teufel Alkohol nicht gerade der zuträglichste Vertreter der Fermentierung. Schon vor 3,4 Millionen Jahren stand auf dem Speiseplan von Steinzeitmenschen etwas ungleich Gesünderes: fermentierter Mageninhalt von erlegten Tieren. Hört sich nicht zwingend köstlich an, aber offenbar hat der Mensch früh erkannt, dass Fermentiertes gut für ihn sein kann.

Seitdem fermentiert die Menschheit weltweit vor sich hin und produziert so unterschiedliche Lebensmittel wie saure Gurken, Misopaste oder gutes Brot. Nichts Neues also, aber Anfang der Nuller-Jahre haben Hipster in Brooklyn den weltweiten Gesundheitstrend der Fermentierung befeuert und Begriffe wie „gute“ Darmbakterien und Probiotika sind immer beliebter geworden.

Milchsäure und Co. – die verschiedenen Verfahren

Fermentation ist ein Oberbegriff für verschiedene Prozesse, die Lebensmittel mittels Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen umwandeln können. Darum kümmern sich Enzyme, die von den Mikroorganismen produziert werden. Enzyme spalten die in Lebensmitteln vorhandenen Moleküle auf, wandeln sie um und der Geschmack verwandelt sich gleich mit.

„Die Glutaminsäure erleben unsere Rezeptoren im Rachen als ,Umami‘, den mysteriösen fünften Geschmack, der mit ,herzhaft‘ nur unzureichend beschrieben werden kann.”

Bestes Beispiel ist Koji, ein traditioneller japanischer Lebensmittelzusatz. Koji züchtet man auf Reis oder Weizen, der mit dieser speziellen Schimmelpilzkultur besprüht und so „geimpft“ wird. Nach einiger Zeit bildet sich ein sehr süßer Geschmack. Warum? Nach der „Impfung“ zerlegen Enzyme des Koji-Pilzes die langen Reis-Molekülketten in ihre Bestandteile. Stärke im Reis ist eine lange Kette, die aus Glucose und Aminosäuren wie Glutamin besteht.

Proteine in Fleisch oder Sojabohnen sind chemisch ähnlich aufgebaut. Zerlegt durch Fermentation können wir die Süße der Glucose schmecken. Die Glutaminsäure erleben unsere Rezeptoren im Rachen als „Umami“, den mysteriösen fünften Geschmack, der mit „herzhaft“ nur unzureichend beschrieben werden kann. Rührt man Koji in Sojabohnenpaste ein, erhält man durch Fermentation einen Sud, nach Reifung in Fässern entsteht Sojasauce, mit ihrem typischen Umami-Geschmack.

Frisches Gemüse enthält von sich aus genügend Milchsäurebakterien

Neben dem asiatischen Weg mit dem Schimmelpilz als „Booster“ ist die Milchsäure-Fermentation in vielen Speisen für die Umwandlung des Geschmacks verantwortlich. Hierzu zählen alle sauer eingelegten Gemüse. Ausgangspunkt ist immer Gemüse und Salzlake bis 2 Prozent, damit sich eine stabile und gesunde mikrobielle Gemeinschaft von allein einstellt. Frisches Gemüse enthält von sich aus genügend Milchsäurebakterien.

„Bei der milchsauren Fermentation entstehen zudem Vitamin C und Vitamine aus dem B-Komplex.”

Milchsäurebakterien verwandeln den Zucker im Gemüse in Milchsäure. Da hierbei kein Sauerstoff im Spiel ist, sterben schädliche Mikroorganismen ab und nur nützliche Bakterien bleiben übrig. Bei der milchsauren Fermentation entstehen zudem Vitamin C und Vitamine aus dem B-Komplex. Aufsteigende Bläschen zeigen die Entwicklung von Kohlensäure, Wasserstoff und geringen Mengen Methan. Die Vielfalt an milchsauer fermentierten Lebensmitteln ist riesig. Joghurt, Sauerkraut, Kimchi, auch Sauerteigbrot (zusammen mit Hefen). Käse zählt ebenfalls dazu.

Fermentiert sind auch Bier und andere alkoholische Getränke, und zwar unter Einsatz von Hefepilzen. Diese wandeln Zucker in Alkohol um und bilden dabei Gase. Harmloser auch in Hefeweckchen, hier dient die Hefe allein als Triebmittel, bevor Alkohol entstehen kann. In Bier und Wein verleihen Hefen dem Getränk erst die gewünschten „Umdrehungen“.

Die Nahrung wird einfacher zu verdauen

Lebensmittel werden haltbar durch das Entstehen von antimikrobiell wirksamen Stoffen. Die Bekömmlichkeit ist höher, denn durch den „Umbau“ im Fermentationsprozess wird die Nahrung für uns einfacher zu verdauen. Es bilden sich probiotisch wirkende Mikroorganismen, die unsere Darmmikrobiota mit neuen lebenden guten Bakterien bereichern und unser Immunsystem natürlich powern sollen. 

Und das Beste: Wir empfinden die Speisen als wohlschmeckend. Das Zeitfenster dafür ist aber entscheidend – dauert die Fermentation zu lange, ist alles einfach nur noch sauer.

Sind fermentierte Lebensmittel medizinisch wertvoll?

Der Genuss von fermentierten Lebensmitteln soll unter anderem das Risiko für Allergien, Entzündungen, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht, Durchfall und Thrombose reduzieren. Dr. Petra Bracht und Prof. Dr. Claus Leitzmann schreiben in ihrem Bestseller „Klartext Ernährung“ zum Beispiel: „Der Fermentationsprozess [kann] eine Laktose-Intoleranz mildern und den Blutcholesterinspiegel senken. Er reduziert das Risiko, an Krebs zu erkranken, und schützt vor krankmachenden Mikroorganismen.“

Valide und konkrete Studienergebnisse, welche Mengen an fermentierten Lebensmitteln man essen sollte, um gesundheitlich zu profitieren, stehen aber aus.

Gesundheitlicher Nutzen wissenschaftlich schwer nachweisbar

So bleibt es schwer, allgemeingültig zu beweisen, dass fermentiertes Superfood direkt messbar auf die Gesundheit wirkt. Dennoch – für fermentierte Milchprodukte gibt es einzelne Untersuchungen, die positive Effekte aufzeigen. Eine Metastudie, die im British Journal of Nutrition veröffentlicht wurde, konnte eine Blutdrucksenkung bei Teilnehmenden erkennen, die eine probiotische fermentierte Milch zu sich genommen hatten.

„Fermentierte Lebensmittel [sorgen] für eine erhöhte Vielfalt der Darmflora […].”

Eine schwedische Studie zeigte, dass der Konsum von Joghurt und Sauermilch mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht. Der Haken: Man hat nicht untersucht, ob lebende Mikroorganismen aus der Milch im Darm der Probanden auch angekommen sind. Streng genommen können diese Studien nicht nachweisen, ob die positive Wirkung direkt auf „gute Bakterien“ zurückzuführen ist.

Anders bei einer Untersuchung der Stanford University aus dem Jahr 2021 – diese belegt, dass fermentierte Lebensmittel für eine erhöhte Vielfalt der Darmflora sorgen.

Do-it-yourself ist am gesündesten

Produkte aus eigener Herstellung wie eingelegte Gemüse, Kimchi, Kefir und Co. enthalten die allermeisten wertvollen lebenden „guten“ Bakterien, auch die vergorenen Spreewaldgurken, Rohmilchkäse und nicht wärmebehandelter Bio-Joghurt. Industriell hergestellte Milchprodukte sind dagegen meist pasteurisiert, weshalb wichtige Bakterien verloren gehen. Auch in Sauerteigbroten, Schokolade und Kakao, Teeblättern und Kaffee arbeiten keine gesunden Mikroben mehr, da die Produkte geröstet oder gebacken wurden.

In jedem Fall aber tragen fermentierte Lebensmittel zu einer ausgewogenen, vitamin- und ballaststoffreichen Ernährung bei. Es ist gut, täglich fermentierte Lebensmittel zu essen.

Fermentierte Lebensmittel können folgende gesundheitliche Vorteile bieten. Ein Überblick:

  • Synthese von Vitaminen und Mineralien während der Fermentation
  • Produktion von verdauungsfördernden Enzymen wie Proteinase und Peptidase 
  • Durch Fermentation werden einige antinutritive Substanzen, die wertvolle Nährstoffe unbrauchbar machen können, eliminiert. Dazu zählen zum Beispiel Lektine, klebrige Eiweißmoleküle. Sie binden spezifische Kohlenhydratstrukturen und erschweren die Verdauung und Aufnahme aller Nährstoffe. Auch Gluten als antinutritive Substanz kann durch Fermentation für Menschen mit Zöliakie unschädlich gemacht werden.
  • Fermentierte Lebensmittel erzielen einen niedrigeren glykämischen Index, sie senken also den Blutzuckereffekt verzehrter Kohlenhydrate.
  • Erhöhung der Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung
  • Blutdrucksenkende Wirkung
  • Präbiotische und probiotische Eigenschaften
  • Darmgesundheit und die Mikrobiota werden verbessert.
  • Wirkung gegen schädliche Bakterien und Pilze, entzündungshemmend
  • Hoher Histamin-Anteil durch Fermentation – bei Intoleranz sollten fermentierte Produkte in Maßen genossen werden, dennoch ist es wichtig, das körpereigene Mikrobiom durch Fermentiertes zu unterstützen

Zum Schluss: Ein Rezept für Kimchi

  • 1 großer Chinakohl, (1 kg) 
  • 2 Esslöffel grobes Meersalz
  • 1/3 Tasse (80 ml) Reisessig
  • 3 Esslöffel koreanische Chilipaste (Gochujang)
  • 1 Esslöffel fein gehackter Knoblauch
  • 2 Esslöffel grobes koreanisches Chilipulver, (Gokchu-Guru)
  • 1 Esslöffel fein gehackter oder geriebener frischer Ingwer
  • 4 Frühlingszwiebeln, in 5 cm lange Streifen geschnitten, einschließlich des grünen Teils

 

Die zähen äußeren Blätter des Kohls entfernen. Kohl längs in zwei Hälften zerteilen. Kern entfernen. Den Kohl in 5 cm Stücke schneiden und mit dem Salz in einer großen Schüssel vermengen, dann in ein Sieb geben. Mit einem Teller und Gewicht beschweren, circa acht Stunden lang, und abtropfen lassen – dadurch bleibt der Chinakohl etwas knackiger.

Essig, Chilipaste, Knoblauch, Chilipulver und Ingwer in einer großen Schüssel gut verrühren. Den Kohl handvollweise in die Marinade geben, vorher jeweils das überschüssige Wasser auswringen. Den Kohl mit der Marinade vermischen und auch die Frühlingszwiebel hinzufügen. In ein 2-Liter-Glas packen, gut verschließen und 48 Stunden bei Raumtemperatur stehen lassen. Vor dem Servieren vier Tage im Kühlschrank abkühlen lassen.

Quellen

  • Dong, Jia-Yi. et al.: Effect of probiotic fermented milk on blood pressure: a meta-analysis of randomized controlled trials (British Journal of Nutrition 110(07), 2013)
  • Sonestedt, Emily et al.: Dairy products and its association with incidence of cardiovascular disease: the Malmö diet and cancer cohort (European Journal of Epidemiology 26(8), 2011)
  • Gut-Microbiota-Targeted Diets Modulate Human Immune Status: Fe-Fi-Fo study (FErmented & FIber-rich FOods), Cell (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34256014/) in August, 2021

Robert Danch

Autor

Robert Danch studierte Kommunikationswirtschaft und Germanistik. Nach einem Verlagsvolontariat bei der „Süddeutschen Zeitung“ baute er dort den Online-Auftritt der „SZ“ mit auf und war danach in Köln bei DuMont unter anderem für die Online-Redaktionen verantwortlich. Als Fachautor schreibt er über neue Medien und Trends im Gesundheitswesen.