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Wie Proteine den Sport sinnvoll ergänzen
Proteine, umgangssprachlich Eiweiß, gehört für viele Menschen genauso zum Training wie der Gang ins Fitnessstudio. Unser Körper benötigt die enthaltenen Aminosäuren für den Zellaufbau und die Erholung. Worauf wir im Zusammenhang mit Proteinen achten sollten.
Um Eiweiß und das Training ranken sich viele Mythen. Viel ist von den im Protein enthaltenen Aminosäuren die Rede, in Supermärkten und im Netz suchen immer mehr Anbieter von High-Protein-Produkten ihre Kunden. Beschäftigen sich Menschen wissenschaftlich mit den Zusammenhängen von Training und Protein, sieht die Sache allerdings meist wenig spektakulär aus.
„Das Entscheidende ist immer der Trainingsreiz“, sagt Dr. Hans Braun, Lehrbeauftragter für Sporternährung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Zusätzliche Eiweißmengen könnten „höchstens helfen, Anpassungsprozesse im Körper zu unterstützen, vor allem regenerative Vorgänge, die nach dem Training anstehen, oder den Aufbau von Gewebe“, erläutert Braun. Doch gilt eben nicht: Mehr zugeführtes Eiweiß gleich bessere Effekte. Denn so viel kann der Körper gar nicht brauchen. „Wenn man jetzt ständig Spezialpudding isst, sollte man nicht erwarten, dass dadurch ein Trainingseffekt steigt“, urteilt Braun.
Welche Proteine brauchen wir überhaupt?
Der menschliche Körper braucht für seine Funktionen eine Vielfalt an Aminosäuren, die in tierischen und pflanzlichen Proteinen enthalten sind. Sie sind wichtig, damit der Körper seine eigenen Proteine herstellen kann – sie sind der Baustoff unserer Zellen, etwa in der Muskulatur. Proteine sind aber auch für viele lebenswichtige Funktionen bedeutsam. Wissenschaftler sprechen vom Ziel der guten „Proteinqualität“, womit gemeint ist, dass über das Essen und Trinken eine ausreichende Vielfalt der wichtigen Aminosäuren im System ankommt.
„Wie bei anderen Nährstoffen auch zerlegt unser Körper die tierischen und pflanzlichen Eiweiße, setzt Aminosäuren frei und nutzt sie für die eigenen Aufbauprozesse“, erklärt Spoho-Forscher Braun. „Es gibt in der Natur kein Protein, das perfekt zum menschlichen Körper passt, deswegen holen wir uns die passenden Aminosäuren aus unterschiedlichen Quellen zusammen.“
Was schwierig klingt, ist bei einer üblichen mitteleuropäischen, vielseitigen Ernährung normalerweise kein Problem – außer in Mangellagen. „Es gilt immer: eine Mischkost mit vielfältigen pflanzlichen und tierischen Quellen ist immer besser als eine einzelne Quelle und liefert ein gutes Aminosäurenprofil“, erläutert Hans Braun.
Haben Veganer und Vegetarier eher Probleme mit Proteinmangel?
Grundsätzlich können auch Menschen, die auf Fleisch oder tierische Produkte verzichten, eine ausreichende Proteinqualität erreichen. Allerdings besteht hier eher die Notwendigkeit, genauer zu planen. „Wenn Milch und Fleisch entfallen, sollte die Ernährung clever über Hülsenfrüchte oder andere proteinreiche Nahrungsmittel ergänzt werden“, sagt Hans Braun.
Pflanzliche und tierische Proteinquellen
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen pflanzlichen und tierischen Eiweißquellen. Häufig wird angenommen, dass eine ausreichende Proteinzufuhr nur durch den Konsum von Fleisch oder Fisch gewährleistet wird. Diese Annahme greift jedoch zu kurz, denn auch Pflanzen enthalten wertvolle Proteine. Besonders Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen und Kichererbsen sind hervorragende Eiweißlieferanten und darüber hinaus reich an wichtigen Kohlenhydraten, Mineralien und Ballaststoffen.
Auch Getreidesorten wie Hafer und Weizen tragen zur Proteinzufuhr bei. Um jedoch allein mit pflanzlicher Ernährung ausreichend Proteine zu erhalten, ist eine vielfältige Auswahl an Lebensmitteln notwendig.
Haben Sporttreibende einen erhöhten Eiweiß-Bedarf?
„Eine sportart- und leistungsspezifisch angepasste Zufuhr von Protein kann den Trainingsprozess sinnvoll ergänzen“, urteilt Annette Schmidt, Professorin für Sportbiologie des Instituts für Sportwissenschaft an der Universität der Bundeswehr München (UBM). Allerdings gibt es keine festen Größen, die je nach Disziplin vorgegeben wären. In einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von 2020 vertreten die Experten die Ansicht, dass eine an die spezifischen Trainingsreize und Ziele angepasste Aufnahme von Eiweiß geboten sein kann.
Die Forschung auf diesem Feld schreitet voran, aber über die konkreten Ziel- und Grenzwerte im Zusammenhang mit Muskelaufbau oder Ausdauersportarten sowie den unterschiedlichen Proteinquellen gibt es bis heute keine klare Mainstream-Empfehlung. Also: keine fixen Werte, sondern eher allgemeine Aussagen. Und man sei gewarnt: „Gerade in der Laienpresse bzw. kommerziell ausgerichteten Webseiten kursieren oft einseitige bzw. falsche Empfehlungen, die nicht durch wissenschaftliche Evidenz gestützt werden“, heißt es im DGE-Papier.
Die Empfehlungen der DGE sind auch für Hobbysportler erstmal angemessen, sagt Hans Braun von der Deutschen Sporthochschule. Allgemein gilt in Deutschland, Österreich und der Schweiz der Wert 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag als empfohlen. Das heißt: Eine 80 Kilogramm schwere Person sollte am Tag 64 Gramm Eiweiß zu sich nehmen. „Wer sehr aktiv ist, kann auch mehr Eiweiß gebrauchen – aber das passiert eigentlich von selbst, denn die Menschen nehmen ja auch mehr Nahrung zu sich“, argumentiert Sporthochschul-Forscher Braun.
„Wir sehen auch ganz klar: Sobald sportlich aktive Menschen mehr Energie aufnehmen, nehmen sie auch mehr Protein auf.“ So beobachtet der Forscher, dass diese aktiven Menschen leicht bei 1,2 Gramm pro Kilogramm landen, bei sportlich sehr aktiven oder Leistungssportlern könnten es auch schnell 1,5 bis 2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht sein – ganz ohne spezifische Proteinprodukte. Auch Annette Schmidt von der UBM erwähnt diesen Rahmen für Sporttreibende.
Zu welchen Zeiten sollte ich das Eiweiß zu mir nehmen?
Grundsätzlich ist die Aufnahme der Proteine über den Tag verteilt im Zuge der üblichen drei bis vier Mahlzeiten ausreichend. Wenn es um die Trainingseffekte und die Auswirkung des Stoffwechsels geht, sprechen die Forscher vom sogenannten „metabolischen Fenster“. Das ist bei sportlich aktiven Menschen verlängert. So empfiehlt Sportbiologin Annette Schmidt, drei- bis viermal am Tag Eiweiß aufzunehmen, damit der Körper nach der sportlichen Belastung wiederum eigene Proteine aufbauen kann. Dies sind die nötigen Baustoffe der Muskelzellen.
„Die Kombination der körperlichen Belastung mit einer vorherigen oder kurz nach der Belastung erfolgenden Aufnahme von Protein führt zu den besten Ergebnissen“, fasst Schmidt den Stand der Forschung zusammen.
Brauchen Kraftsportler mehr Proteine?
Insgesamt lässt sich festhalten: Wer Krafttraining betreibt und damit Muskelmasse schaffen möchte, hat einen – allerdings geringfügig – erhöhten Proteinbedarf. Zudem ist die Studienlage unklar. „Einzelne Studien zeigen, dass eine erhöhte Proteinzufuhr in Kombination mit einer Energiemangel-Diät möglicherweise zu einer Zunahme der Skelettmuskelmasse und einem geringeren Körpergewicht beiträgt“, fasst die Münchner Forscherin Schmidt zusammen. Heißt: In diesen einzelnen Arbeiten zeigte sich, dass eine energiereduzierte Ernährung mit viel Eiweißzufuhr zu Gewichtsverlust und höherem Muskelanteil führen kann.
Brauchen auch Ausdauersportler mehr Eiweiß?
Grundsätzlich sollten sich beispielsweise Läufer, Radsportler oder Schwimmer bei ihren Ausdauertätigkeiten mit Kohlenhydraten versorgen. Für sie gelten die von der DGE vorgelegten allgemeinen Empfehlungen. Denn wer Ausdauersport betreibt, braucht die Energie frei verfügbar – wie sie eben Kohlenhydrate liefern. Unterwegs sollten diese Sportler also keine Proteinriegel zu sich nehmen, sondern spezifische Kohlenhydrate. Diese werden wiederum im Körper in Einfachzucker, also Glukose, umgewandelt und dann der Muskulatur als Treibstoff zur Verfügung gestellt.
Die Umwandlung von Proteinen und auch Fetten in der Leber dauert deutlich länger, sodass Ausdauersportler während der Aktivität in ein Versorgungsloch zu fallen drohen. „Allerdings kann die Ergänzung von Proteinen in der Nahrung helfen, auch bei Ausdauersportlern Muskelschmerzen zu verringern“, sagt Professor Annette Schmidt.
Sind Proteinpulver und spezielle Eiweißprodukte sinnvoll?
Grundsätzlich gilt für die Experten: Wer zu Spezialprodukten greift, wird dadurch keine besseren Effekte erzielen. „Es ist nicht zu erwarten, dass ein High-Protein-Produkt gegenüber Quark, Porridge oder Käse bessere Wirkung erzielt“, sagt der Kölner Wissenschaftler Braun. Die Gefahr bestehe darin, dass durch Aufnahme zusätzlicher Eiweißprodukte auch zusätzlich Zucker oder Fett aufgenommen würden. „Man muss natürlich immer das Energiemanagement im Blick haben – auch mit Proteinprodukten kann man zu viele Kalorien aufnehmen, die dann am Ende in Körperfett umgewandelt werden“, weist Braun auf eine Grundlage der Ernährung hin.
Allerdings: Der Forscher sieht auch keinen Grund, der gegen den Konsum dieser Spezialmittel spreche – seien es Pulver, Drinks oder Pudding. Vielmehr könne sich, gerade bei sportlich sehr aktiven Menschen, diese Art der schnellen Nahrungsaufnahme als komfortabel erweisen und eben damit die bezweckten Ziele schneller erreichen helfen.
Kann mir zu viel Eiweiß schaden?
Lange war umstritten, ob sehr viel aufgenommenes Eiweiß sogar schädlich sein kann für den Körper. Annette Schmidt weist jedoch auf neuere Studien und Übersichtsarbeiten hin, die deutlich zeigen: „Es gibt keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Proteinaufnahme bei Sportreibenden und daraus resultierenden Gesundheitsrisiken.“ Schmidt verweist auf eine Einjahres-Studie an gesunden, erwachsenen Sporttreibenden, die 2,5 - 3,3 Gramm Protein je Kilogramm Körpergewicht am Tag zu sich nahmen.
Auch bei dieser hohen Menge traten keine schädlichen Effekte bei Blutfetten, Nierenwerten und der Leberfunktion auf. Hans Braun rät lediglich bei vorliegenden Nierenschäden dazu, den Effekt von erhöhtem Eiweißkonsum ärztlich überprüfen zu lassen. Und allgemein gilt: viel trinken, um den Harnstoff ausreichend ausscheiden zu können. Der entsteht nämlich, wenn der Körper das Protein umgewandelt und dabei Stickstoff abgeschieden hat.
Erfahren Sie mehr über die optimale Ernährung für Sportler in unserem Artikel: „Wie uns das Essen sportlicher macht“.
Dr. Hans Braun
Experte
Lehrbeauftragter für Sporternährung an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Tim Farin
Autor
Tim Farin ließ sich an der Deutschen Journalistenschule München ausbilden. Zu seinen Schwerpunkten zählen Sport, Fitness und Gesundheit. Als leidenschaftlicher Rennradfahrer und Marathonläufer kennt er sich mit dem Herz-Kreislauf-System bestens aus und hat mit Prof. Klaus Bös und Prof. Getrud Winkler das Buch „Fit in 12 Wochen“ veröffentlicht.